Totale Kriegsdienstverweigerung (TKDV) und

TOTALE VERWEIGERUNG

Wie man mit Sprache Politik macht

Von der politisch motivierten Totalverweigerung zum Sozialschmarotzertum

Eine Glosse aus eigener Anschauung von Marduk Buscher, IDK-Mitglied

Politik wird in jeder Gesellschaftsform durch das Setzen von Worten betrieben. Das gilt für eine Politik „von oben“ genauso wie für eine Politik „von unten“, von rechts und von links.

Interessant ist dabei, den Bedeutungswandel von Wörtern zu verfolgen, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen verändern.

In der alten, man möchte fast sagen „guten“, Bundesrepublik Deutschland, in welcher man schon damals aber nicht „BRDigt“ sein wollte, betraten viele junge Männer den beschwerlichen Weg der „Totalverweigerung“. Sie zogen nach Westberlin, gingen ins Ausland oder tauchten einfach unter, um keinerlei „Kriegsdienst“ verrichten zu müssen. Sie lehnten den sogenannten „Ersatzdienst“ genauso ab, wie den „Wehrdienst“, denn im Zweifelsfall unterstanden auch alle, die den Ersatzdienst leisteten oder geleistet hatten, bis zum Erreichen der Altersgrenze von 60 Jahren dem Kommando des Kriegs- bzw. euphemistischer gesagt „Verteidigungsministers“. Es galten im Zweifelsfall Uniform- und Kasernierungspflicht. Die Ersatzdienstler wären dann -genauso wie ihre kriegsbereiten Kollegen mit ihren Waffen - an die Front geschickt worden, um dort Mords-Hilfsdienste mit Spaten und Krankentrage zu verrichten.

Wer dies vermeiden wollte, mußte (und muß auch heute) sowohl der Wehrerfassung als auch der Musterung entgehen. Wer nicht gemustert wurde, machte sich höchstens einer Ordnungswidrigkeit schuldig, weil er vielleicht nicht dort wohnte, wo er gemeldet war, also auch keinen Musterungsbescheid erhalten konnte.

Nach nicht-gemusterten jungen Menschen (damals ausschließlich Männern) durften Feldjäger nicht aktiv suchen. Die Kreiswehrersatzämter waren auf die Hilfe der Polizei angewiesen, um den Aufenthaltsort solcher Personen ausfindig zu machen. Wurde jemand zufällig bei einer Verkehrskontrolle angetroffen, der nicht gemustert war, durfte er lediglich freundlich darauf hingewiesen werden, daß er sich doch bitte beim Kreiswehrersatzamt melden solle. Er stand nämlich nicht zur Fahndung aus, durfte legalerweise nicht festgenommen und nicht zwangsgemustert werden. Falls dies doch geschah (und es passierte leider hin und wieder, wenn Lehrer, Polizisten oder Blockwarte übereifrig waren) half es, für diesen Fall eine handschriftlich verfaßte Verweigerung dabei zu haben (oder auch ein Attest), um sicherzustellen, daß man nicht gleich in eine Uniform gesteckt wurde (oder besser: werden durfte, denn auch das geschah).

Wer es also mit seinem Pazifismus ernst meinte, oder zumindest nicht bereit war, für USA, NATO oder BRD in den Krieg zu ziehen, der wurde zum „Totalverweigerer“. Er lehnte Aufrüstung und Säbelrasseln ab, sah im Osten keinen Feind, und wollte nicht gegen seine Altersgenossen auf der anderen Seite des „Eisernen Vorhangs“ in den Krieg ziehen.

Diesen „Friedenwall“, wie die Grenze zwischen Ost und West auch genannt wurde, gibt es heute nicht mehr. Sehr wohl aber die Verlockungen unbegrenzter Ressourcen. Weltmachts-Fantasien. Vielleicht sogar auch drüben wie hüben.

Die „Zeitenwende“ stellt „Sondervermögen“ noch und nöcher zur Verfügung, um Straßen und Brücken „panzertauglich“ zu machen, und dabei „in Kauf zu nehmen“ (denn ja, es ist ein großes Geschäft!), daß die Zukunft von uns allen niemals mehr „enkeltauglich“ sein könnte. Arbeitsplätze im zivilen Bereich werden abgeschafft oder wegrationalisiert, um zunächst ein „Heer der Arbeitslosen“ aufzustellen, welches dann bald willig die Uniform anziehen wird.

Leider war die Wehrerfassung ein paar glückliche Jahre lang nicht wirklich auf dem „qui vive“, um auf diese Frage nach der Parole, auch die richtige, kriegslüsterne Antwort der Massen zu erhalten. „Ich will töten, töten, töten“ ruft nur der zwangsgemusterte Arlo Guthrie im Film „Alices Restaurant“, um die makabre Absurdität einer solchen Veranstaltung zu demaskieren.

Da half es doch, daß die zeitgleich mit dem US-Manöver „Defender Europe 2020“ eingesetzten Bundeswehrsoldaten im Rahmen der hinzugehörigen „Zivilschutzübung“ und in ihren camouflierten Manöver-Uniformen der Lebens-Daten der kommenden Kriegstoten habhaft werden konnten. Wer weiß, ob das alles DSGVO-konform abging, oder?

Der Staat kennt sie jetzt jedenfalls alle. Jungen und Mädchen, welche ihren bevorstehenden achtzehnten Geburtstag nicht als Tor zu einer friedlichen Zukunft erträumen dürfen, sondern sich der Musterung werden zu stellen haben, um „kriegstauglich“ zu werden.

Damit auch keiner auf den Gedanken kommt, daß man seine Rolle in diesem gefährlichen Kriegsspiel auch ganz grundsätzlich verweigern könnte, wird ein bißchen an der Sprache gedreht. Was in den 60er, 70er oder 80er Jahren ein Ehrenname war, wurde zum Pseudonym für einen „Sozialschmarotzer“ gemacht, welcher staatliche Leistungen bezieht, die ihm nicht zustehen. Das hat gleich doppelten Erfolg! Die so Geschmähten werden zum Feindbild der mehr und mehr in der Armut versinkenden Mittelschicht (denn Feindbilder braucht jeder "gute Soldat"), und die politischen „Totalverweigerer“ werden damit gleich mit ausgegrenzt und verächtlich gemacht, bevor sie erst wieder auf den Gedanken kommen, den Dienst im „totalen Krieg“ radikal zu verweigern.

Aus „Kriegstreibern (m/w/d)“ werden heute ja auch gerne „Kriegstreibende“ gemacht. Das angestrebte Ziel sprachlich bereits umsetzend.      >29. August 2025<

 

Kriegsdienste verweigern im Spannungsfall (Stand Anfang 2025)

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Kriegsdienste verweigern im Spannungsfall - hier ein paar Paragraphen zur Rechtslage ...

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Kriegsdienste verweigern

Die Verweigerung von Kriegsdiensten bzw. die Unterstützung von Verweigerern und Verweigererinnen ist eine zentrale Aufgabe der IDK. In vielen Ländern gibt es kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Internationale Unterstützung ist wichtig.

In dieser politischen Arbeit ist die IDK als Sektion mit der War Resisters' International (WRI) verbunden und arbeitet in Deutschland mit Connection e.V. zusammen.

 

Kriegsdienstverweigerung ist individuelle Selbstabrüstung und Kriegsbehinderung.

 

Kriegsdienstverweigerung: Ein Menschenrecht?

Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen wird heute von vielen Staaten und internationalen Organisationen anerkannt. Dieses Recht geht aber gewöhnlich mit Gewissensprüfungen und dem Zwang zu einem Ersatzdienst einher. Zu einem Menschenrecht gehört aber, dass es allen Menschen ohne Bestrafung zusteht. Das gegenwärtige Kriegsdienstverweigerungsrecht ist deshalb weit davon entfernt, ein Menschenrecht zu sein.

IDK-Publikationen

 

Transnationale Solidarität

In vielen Ländern werden Menschen zwangsweise für den Krieg rekrutiert. Wer verweigert, wird oft diskriminiert und verfolgt. Die Unterstützung für Kriegsdienstverweigerer und Kriegsdienstverweigerinnen auf nationaler und transnationaler Ebene war und ist eine wichtige Aufgabe der IDK.

Seitdem in den meisten Staaten Westeuropas der Zwang zum Kriegsdienst ausgesetzt oder abgeschafft wurde, konzentriert sich die Solidaritätsarbeit auf Länder wie Finnland, Griechenland, die Türkei, die Ukraine, Israel, Ägypten, Eritrea, Südkorea und Kolumbien.

 

War die Idee der Kriegsdienstverweigerung früher fast ausschließlich in Europa und Nordamerika verbreitet, so ist sie heute auf dem ganzen Globus eine relevante Widerstandsform gegen Militär und Krieg. Dies gilt auch für Staaten ohne Militärdienstzwang, denn auch Berufssoldaten und Berufssoldatinnen können verweigern.

 

Kriegsdienstverweigerung als Asylgrund

Viele Menschen, die den Kriegsdienst verweigern, zwingt die Situation im Herkunftsland zur Flucht. Kriegsdienstverweigerung gilt jedoch selten als Grund für die Gewährung von Asyl. Solidaritätsarbeit beinhaltet deshalb auch, sich für die Anerkennung von Kriegsdienstverweigerung als Asylgrund einzusetzen, und Kriegsdienstflüchtlingen zu helfen, Asyl zu erhalten.

 

 

 

 

Connection e.V.

Die IDK arbeitet mit Connection e.V. zusammen.

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Die IDK ist eine Sektion im internationalen Netzwerk der War Resisters' International (WRI). Transnational arbeiten Pazifistinnen und Pazifisten zusammen und organisiert Kampagnen und gewaltfreie Aktionen zu antimilitaristischen Themen. Mehr Infos

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